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Lab Fellow Portraits #3 | Tetrapix

Programmieren lernen mit alten Milchpackungen

Was haben gebrauchte Tetra Pak-Verpackungen mit Programmieren zu tun? Sehr viel, wenn Tetrapix ins Spiel kommt; eines von sechs Fellow-Teams im Urban Ideation Lab, dem Labor für das Stadtquartier der Zukunft und Herzstück von B-Part Am Gleisdreieck. Das Berliner BNE-Startup von Marie-Luise Schade und Bastian Babec vermittelt Schulkindern mit einfachsten Mitteln, recycelten Materialien und sehr viel Spaß am Basteln die Grundlagen unserer digitalen Welt.

Dabei müssen Kinder keine Vorkentnisse haben, um ihre eigenen Algorithmen an selbstgebastelten Objekten ausprobieren zu können. Denn konkret sieht das Tetrapix-Konzept so aus: Die einfache Formel lautet „1 halbiertes Tetrapack = 2 Pixel“ Und aus beliebig vielen „Tetrapixeln“ wiederum entstehen Bildschirme. Fehlt nur noch ein einfaches, kindgerechtes Interface und schon lässt sich zum Beispiel eine selbstgebastelte Giraffe aus Tetrapacks als Display illuminieren. Der von den Kindern programmierte Algorithmus weist die einzelnen Pixel an, nach ihren Regeln zu leuchten, zu blinken oder Farbtöne zu wechseln, sodass sich gewünschte Animationen ergeben. Der Code für zum Beispiel einen Schach-Computer mag etwas komplizierter sein, aber im Prinzip machen erwachsene Programmierer es nicht anders als die Kleinen.

Tetrapix gründete sich vor rund anderthalb Jahren, das Team ist aber schon länger im Thema digitale Bildung aktiv. Eigentlicher Startschuss war 2016, als Luise und Bastian den Code Week Award gewannen, den die damalige, von der Bundesregierung ernannte Internetbotschafterin Gesche Joost auslobte. Das Tetrapix-Team gewann den Award für ihre Idee „TetraTetris“, mit der Kinder mit einfachsten Mitteln den Computerspiel-Klassiker Tetris nachbauen und programmieren können.

Auf dieses Projekt folgten zahlreiche Anfragen von Schulen, Bildungsinitiativen, Stiftungen oder Unternehmen und mit dem Preisgeld konnte das Team die weitere Entwicklung finanzieren, die heute in einem umfangreichen Angebot an Fortbildungen für Lehrkräfte und Workshops für Schülerinnen und Schüler mündet, überwiegend für 4. bis 7. Klassen.

Ausgediente Tetrapacks flogen auch kürzlich im Bad Belziger Fläming-Gymnasium nicht in den Müll. Hier konnte sich eine 7. Klasse im Sinne des Tetrapix-Konzepts richtig austoben, wobei auch die eingangs erwähnte Giraffe entstand. Siehe hierzu auch einen Bericht in der Märkischen Allgemeinen Zeitung.

Ein weiteres großes Projekt fand in Baden-Württemberg für die „Klimastiftung für Bürger“ in Sinsheim statt. Unter der Schirmherrschaft von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp ist hier ein offener Campus für alle Themen rund um Bildung für nachhaltige Entwicklung, Klima, Energie und andere entstanden. Tetrapix entwickelt aktuell für die Stiftung zwei Workshop-Formate mit Materialien für die Schulung der Mitarbeitenden, die das erworbene Wissen wiederum in internen Schulworkshops einsetzen. Für eine andere SAP-Stiftung, die HOPP-Foundation, konzipierte das Tetrapix-Team ein Zusatz-Curriculum für alle 7. Klassen im Rhein-Neckar-Gebiet, mit dem Kindern auf lebendige Weise Informatik vermittelt werden kann.

Neben dem spielerischen Basteln und Programmieren tragen die Workshops auch den Nebeneffekt, dass den Schülerinnen die Scheu vor der Technik genommen wird. „Wir machen oft die Erfahrung, dass die Mädchen, wenn man sie vor die Wahl stellt, sich sofort fürs Basteln entscheiden, während die Jungs alle programmieren wollen“, erklärt Luise. „So sah das auch damals bei mir im Interface-Design-Studium aus, wo ich fast die einzige Frau unter lauter Männern war. Bei unseren Workshops handhaben wir das jetzt so, dass wir ganz subtil dafür sorgen, dass alle alles machen, also sowohl Mädchen wie Jungs sich in beiden Disziplinen ausprobieren können. Es ist für uns sehr wichtig, dass wir insbesondere die Mädchen spielerisch und zwanglos an diese vermeintliche Männerdomäne heranführen.“

Insgesamt wirkt das Angebot von Tetrapix gleich in mehrere Richtungen: Nachhaltigkeit, Förderung von Mädchen in Richtung der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und Förderung von Schulkindern in Wissen und Anwendung digitaler Möglichkeiten als Schlüssel für eine moderne Bildung in und außerhalb der Schule. Kinder lernen also, sich auf die Zukunft vorzubereiten, auch ohne sich gleich in eine Programmiersprache vertiefen zu müssen. Ein wichtiger Bereich liegt zudem in der Unterstützung von Lehrkräften, denen es oft an Mitteln und Zeit für die eigene Weiterbildung mangelt. Weil überwiegend recyceltes Material eingesetzt wird, bleiben die Kosten der Tetrapix-Angebote überschaubar.

Ein weiterer Grundgedanke liegt im Open Source. In den IT-Umgebungen der Schulen lassen sich oft auch noch so einfache Software-Komponenten kaum aufspielen, da hier meist geschlossene, sogenannte proprietäre Umgebungen installiert sind. Tetrapix entwickelt dafür eigene Lösungen wie einen Micro-Controller, mit dem die Nachwuchs-Hackerinnen und -Maker sofort loslegen können, ohne sich mit Admin-Sorgen zu plagen.

Nicht zuletzt findet das Team von Tetrapix auch innerhalb des Urban Ideation Lab fruchtbare Schnittstellen zu anderen Fellows. Zum Beispiel ist ein gemeinsames Coding- und Recycling-Projekt mit dem Team von Circular Berlin in Arbeit. Also, liebe Eltern oder Lehrer und Lehrerinnen, falls Ihr hier mitlest: Holt euch Tetrapix an eure Schulen!