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Interview mit Janusch Munkwitz

Janusch Munkwitz ist erfahrener Gastronom und Geschäftsführer des Architektur- und Designbüros Supersupply Limited. Er betreibt das Jules Café im B-Part Am Gleisdreieck und versorgt mit seinem Team die B-Part Community wie auch Nachbarn und Parkbesucher mit süßen und herzhaften Leckereien und besonderen Kaffeespezialitäten. Außerdem ist er Inhaber des „Café Bravo“ in Berlin sowie der Bar „Paul & George“, der „Condesa Café & Bar“ und der „Sattlerei“ in Stuttgart. Mit ihm sprechen wir über Krisenmanagement in Zeiten von COVID-19 und welche Auswirkungen die aktuelle Situation auf die Gastronomie haben wird.

Lieber Janusch, das Jules Café im B-Part Am Gleisdreieck hatte bis vor kurzem für knapp einen Monat geschlossen. Wie kam es zu dieser drastischen Entscheidung?

Ich sah es weniger als drastische Entscheidung, sondern eher als rationalste Lösung. Der Eventbetrieb war schon vor dem Tagesbetrieb stark rückläufig. Wir haben frühzeitig auf die gegebene Situation reagiert und für die erforderlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen im Café Jules gesorgt. Als jedoch „stündlich“ neue Regelungen veröffentlicht wurden, empfanden wir es als das Vernünftigste – für unser Team und unsere Gäste – erst einmal zu schließen.

Ich muss schon sagen, es fühlt sich sehr skurril an. Wann mussten wir uns schon einmal an so vieles in so kurzer Zeit gewöhnen? Oder Gesundheit gegen wirtschaftliche Ziele abwägen? Generell glaube ich, wir haben hier in Deutschland großes Glück, wie mit dieser Pandemie umgegangen wird. 

Wie ist es dir in den vergangenen Wochen ergangen und wie hast du dich den zahlreichen Herausforderungen gestellt?

In diese Situation mussten sich alle erstmal einfinden und zwar in Highspeed! Try and Error, was sind die Do´s und die Don‘ts, Anträge, Stundungen, Berechnungen und parallel noch die News und Änderungen im Auge behalten. Zu unseren Aufgaben gehörten auch banale Dinge, wie die Warenverwertung. Viele unserer Frischwaren haben wir an ältere Leute und an das Team weitergegeben. Das waren wirklich „spezielle“ Tage und Nächte…

Gleichzeitig stand ich mit anderen Gastronomen und Entrepreneuren im Austausch, um die vielen neuen Informationen auf eine Spur zu bringen. Wichtig war es mir auch, viel mit dem Personal zu sprechen, um Ängste abzufedern oder Fragen zu beantworten und den Teamspirit aufrecht zu halten.

Anschließend ging es um die Fragen: Was kann man optimieren? Wie erhöhen wie die Chance, die Situation möglichst gut zu überstehen?  Was ist in letzter Zeit auf der Strecke geblieben? Ich konnte mich z. B. mal wieder dem Grafikdesign widmen, der Internetpräsenz und dem ganzen Thema Digitalisierung. Alles Punkte, die unsere Handlungsfähigkeit langfristig steigern werden – das hat mir Mut gegeben.

Du erwähntest das Thema Digitalisierung: Viele Unternehmen profitieren aktuell von digitalen Arbeitsmodellen. Nimmt das Thema einen neuen Stellenwert in der Gastronomie ein? 

Es nimmt ihn ein – ich hoffe im positiven! Ich habe z. B. keine Lust meinen Kaffee mit dem Handy zu bestellen und ihn dann irgendwo abzuholen. Generell passen Digitalisierung und Gastronomie für mich nicht so richtig zusammen. Ich glaube auch, das ist es, was vielen Menschen gerade fehlt: das echte Miteinander statt digitaler Begegnungen. Digitale Tools sind jedoch total sinnvoll, um beispielweise Prozesse zu optimieren, Lagerbestände zu verwalten oder Takeaway-Bestellungen charmant und cool anzubieten zu können. 

Konntest du etwas Positives aus dieser Situation für Dich herausziehen? 

„Positiv“ möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sagen, aber ich habe viel daraus gelernt und Schlüsse für die Zukunft gezogen. Beispielsweise, dass die Solidarität unserer Kunden und des gesamten Teams so viel wert sind! Toller Teamspirit und ein gutes Miteinander gegenüber jedem hilft einem wirklich, durch eine solche Phase zu kommen. Das Besondere an dieser Situation ist ja, dass niemand sie verschuldet hat, wir sitzen alle im selben Boot – nur wann jeder die Folgen spürt, ist unterschiedlich.

Spannend für mich ist zu sehen, wie sich alle an die „Spielregeln“ halten, um das gemeinsam durchzustehen. Gleichzeitig wird aber auch weitergedacht, um dieser Phase möglichst schnell entgegenzuwirken – das finde ich mit das positivste an dieser Situation.

Das Café Jules hat seit letzter Woche wieder halbtags für Takeaway geöffnet. Hilft diese Lockerung deinem Betrieb und geht es damit einen Schritt in Richtung „Normalität“? Ist ein Lieferservice geplant?

B-Part und das Jules Café sind Orte der Begegnung, um die Urbanität zu spüren und neue Bekanntschaften zu schließen. Daher ist der aktuelle Schritt für mich keine Normalität. Dennoch können wir nun endlich wieder unsere Gastfreundschaft und unseren guten Service an die Menschen bringen. Leute haben unseren Kaffee vermisst und wir unsere Kunden sowie Stammkundschaft, daher ist es eine wichtige Sache und ein tolles Gefühl, wieder öffnen zu dürfen.

Diese Lockerung kann natürlich nicht im Ansatz den regulären Betrieb ersetzen, aber es ist zumindest etwas. Mich begleitete immer der Leitgedanke: Und wenn ich in einer Schicht auch nur einen Euro verdiene, habe ich dennoch eine Schicht generiert, also ein Mitarbeiter hat Geld verdient und kann dadurch einen Teil seiner Miete bezahlen – das im Hinterkopf zu haben, hilft weiter zu machen. 

Ein Lieferservice ist auf jeden Fall geplant! Wenn es nach mir geht, so schnell wie möglich. Wichtig ist aber: Jeden Step, den wir jetzt gehen, wollen wir auch in Zukunft beibehalten, als „add-on“ zum normalen Betrieb. Darum muss man super aufpassen, dass es nicht in eine falsche Richtung geht, nur zu leicht können falsche Handlungsstränge entstehen und man verliert sein eigentliches Schaffen aus den Augen.

Die Unsicherheit bezüglich der nächsten Monate begleitet uns alle. Mit welchen Auswirkungen rechnest du und wie ist dein Ausblick auf das restliche Jahr 2020?

Eine richtige Prognose kann ich nicht abgeben. Geht man nach dem DEHOGA (Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e.V.) werden 30% der Gastronomie insolvent gehen – das wäre natürlich verheerend. Vor allem weil unklar ist, wie lange und wie straff die Regelungen gehalten werden. Vielleicht verlieren wir den gesamten Sommer oder noch länger… 

Wie sieht die Situation nach der Corona-Krise aus? Werden die Menschen bereit sein, im Biergarten zu sitzen oder in einem Restaurant? Wann lässt die aktuelle Verunsicherung wieder nach? Ich hoffe, dass die Menschen nach „Social Distancing“ wieder Lust auf einen gemeinsamen Kaffee oder ein Bier haben – auch, wenn es erstmal mit Abstand und Maske sein muss.

Du hast das Jules bei „Helfen.Berlin“ eingestellt, welche Erfahrungen hast du mit der Plattform gesammelt? 

Die Plattform ist sehr gut aufgebaut. Bemerkenswert fand ich, wie schnell solche Plattformen zum Support ins Leben gerufen wurden. Wir haben uns mittlerweile auch bei Kiezhelfer vom Tagesspiegel und bei VR-ExtraPlus angemeldet. Und wenn es nur ein „Tropfen auf den heißen Stein ist“, auch dieser hilft bekanntlich ein bisschen. 

Bei den Gutscheinen muss man allerdings aufpassen, weil es ja eine Art kleine Liquiditätsverschiebung ist. Sollten alle Gutscheine sofort nach der Wiedereröffnung eingelöst werden, haben Gastronomen wie ich das Problem, dass sie dafür ja eine Leistung und Ware benötigen, die wiederum Kosten verursachen… Dennoch ist es eine tolle Sache, denn man spürt dadurch, dass die Bevölkerung wertschätzt, was Gastronomie für unseren Alltag, unser Wohlbefinden und für unsere Kultur bedeutet und diese unterstützen möchten. Das lässt mich auf jeden Fall hoffen!

Zum Abschluss: Welchen Tipp möchtest du im Rahmen dieser Corona-Krise herausgeben?

Ganz klar: #SupportYourLocalDealer: Bitte jetzt und in Zukunft so lokal wie möglich einkaufen und konsumieren! Ein Nachteil der Gastronomie ist, dass sie keine Nachholeffekte erwirtschaften kann. Ein für jetzt geplantes Dinner oder Date wird nicht nachgeholt, sondern ist dann ein anderes Dinner oder ein anderes Date.

Also geht euch so viele ToGo Kaffees holen wie möglich, nehmt noch eine leckere Zimtschnecke mit, lasst bei keinem Essen das Dessert aus – natürlich hoffe ich, dass bei jedem Dinner die Flasche Wein auf dem Tisch steht (lacht). Es tut uns sicherlich allen gut, wenn wir wieder in vollen Zügen genießen und diese „Normalität“ wertschätzen lernen. Sie ist ein wertvolles Gut, dass es zu beschützen gilt. Behält man das im Hinterkopf, werden sich die Gastronomiebetriebe, kleinen Shops und Zulieferer nach dieser Krise langsam erholen können. Das ist mir als Tipp sehr wichtig, damit unsere Städte und Kulturen erhalten bleiben und es nicht nur die „Big Player“ aus dieser Krise schaffen. 

…und nicht ganz uneigennützig möchte ich noch hinzufügen, dass wir unsere Pizza perfektioniert und auf Sauerteig umgestellt haben, damit bin ich super zufrieden. Also kommt vorbei und esst mehr Pizza!