loaderimage

Urban Ideation Lab entwirft zirkuläre Stadtquartiere

In den Viadukten am Park am Gleisdreieck in Berlin könnte eine neue Form des Wirtschaftens entstehen. Das jedenfalls ist das Ziel des Urban Ideation Labs (UIL). Das UIL ist eine zehnköpfige, interdisziplinär zusammengesetzte Ideenschmiede, die von der COPRO initiiert, neue innovative Ansätze für die Entwicklung des zukünftigen Stadtquartiers „Urbane Mitte Am Gleisdreieck” erarbeitet.

Im Rahmen des Circular Future Festivals – ein bundesweites Festival, das sich mit der zirkulären Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft auseinandersetzt – organisierte das UIL einen Tag zum Thema Urbane Produktion im B-Part Am Gleisdreieck. Die Veranstaltung bot als einleitenden Rahmen informative Vorträge dazu, inwiefern urbane Produktion unsere Städte in Zukunft nachhaltig verändern wird, und gab Einblicke in bereits bestehende Orte der urbanen Produktion, wie zum Beispiel das Motion Lab in Berlin Kreuzberg. 

©Leander von Thien

In einem ausführlichen Vortrag legte Dr. Jens Libbe vom Deutschen Institut für Urbanistik dar, dass moderne Innenstädte auch als Produktionsstandorte wieder interessant werden. Nach Jahrzehnten des Rückzugs von Produktion und Gewerbe aus den Städten könne man durch eine ausgewogene Funktionsmischung und neuen Formen ressourcenschonender Produktion die urbane Vielfalt steigern. Eine zirkuläre Wirtschaft böte neue Alternativen zum Aufbau widerstandsfähiger, klimagerechter und lokaler Wirtschaftssysteme in den Städten. Durch lokal produzierte Güter können Transportwege für die Einfuhr von Rohstoffen und weiter nutzbaren Nebenprodukten sowie die Abhängigkeiten von globalen Lieferketten minimiert werden.

Anschließend stellte das UIL einen Ort für mögliche urbane Produktion vor: die Viadukte unter dem Gleisdreieck. In einem weiteren Schritt ist dann das UIL dazu übergangen, die Leitlinien zirkulärer Wirtschaft für die Entwicklung des innovativen Stadtquartiers “Urbane Mitte Am Gleisdreieck” anzuwenden. Dabei hat es sich der Think Tank zur Aufgabe gemacht, die vielen Viadukte am Gleisdreieck für das Konzept einer zirkulären Wirtschaft nutzbar zu machen. Die Viadukte dienten in den vergangenen Jahrzehnten als Werkstätten der Berliner Verkehrsbetriebe BVG. Von Haltestellen bis Brückenträgern wurde hier alles gebaut und gewartet. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts beherbergten die Flächen noch Kutschen und Ställe und waren dann mit der Zerstörung der umliegenden Gleisanlagen durch den Krieg lange ungenutzt. Umso interessanter ist es, dass diese Flächen der Öffentlichkeit durch die Entwicklung  der „Urbanen Mitte“ wieder zugänglich gemacht werden.  Das UIL präsentierte hier eine Vision für ein zirkuläres Stadtquartier und belegte die Flächen exemplarisch mit Unternehmen, die miteinander kooperieren könnten. Ein Beispiel: Aus Nebenprodukten wie Gerstenmalz könnte eine Brauereifläche mit einer Bäckerei, die dann ihr Brot damit bäckt, zusammenarbeiten. Die Abwärme der Brauerei könnte dazu genutzt werden, den Stromverbrauch eines Urban Farming Unternehmens, das beispielsweise Salate anpflanzt, zu decken. Dieser Salat könnte dann, genau wie das Brot, auch von den Restaurants vor Ort weiterverarbeitet werden. Die Beispiele sind zahlreich und divers. Das UIL war in den vorangegangenen Monaten bereits der Frage nachgegangen, wie eine zirkuläre Wirtschaft in einer Großstadt ausgestaltet werden kann und was dann konkret eine solche Form des Wirtschaftens für die Entwicklung des zukünftigen Stadtquartiers “Urbane Mitte Am Gleisdreieck” bedeuten könnte. Die Ergebnisse wurden an diesem Tag im B-Part Am Gleisdreieck der Öffentlichkeit präsentiert. 

Die Leiterin des UIL, Amira Sahr, sieht in den Viadukten „ein erhebliches Potential für die Entwicklung einer neuen Form des Wirtschaftens“. Für diese Form müssten, so der UIL-Befund, drei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss eine nachhaltige Infrastruktur hinsichtlich Energie, Wärme, Abwasser und Abfall sichergestellt sein. Des Weiteren müssten dann in einem zweiten Schritt der Aufbau lokaler Materialkreisläufe organisiert und ein Gleichgewicht zwischen größeren produzierenden Orten wie beispielsweise Bäckereien und Brauereien sowie sozialen- und Konsumorten hergestellt werden. Der zirkuläre Gedanke ihres Konzeptes begrenzt sich aber keineswegs nur auf die Material- und Energiekreisläufe. Verkaufs- und Produktionsflächen sollen auch einen Gemeinschaftsgedanken erfüllen und Angebote für die Gemeinde, zum Beispiel in Form von Wissensaustausch (Workshops, Lehrkurse, Reparaturwerkstatt, etc.), anbieten. Der Gedanke einen Ort zu kreieren, der für die BewohnerInnen der Stadt einen gesellschaftichen Mehrwert darbietet, soll hier den gleichen Stellenwert haben, wie die gewinnbringende Vermietung der Flächen. Die Leiterin des Labs, Amira Sahr, sieht die Entwicklung der „Urbanen Mitte Am Gleisdreieck“ als eine große Chance: „Das neue Stadtquartier eröffnet die Möglichkeit, bereits in die Planung neue Formen des Wirtschaftens miteinzubeziehen, um eine ressourcenschonende Zukunft unserer Städte zu etablieren.“

Ralf Jaksch – Berlinboxx