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Lab Fellows Portraits #2 | nexTT

nexTT – neues Storytelling mit Daten
Das Team von nexTT widmet sich der Frage, wie man Daten nicht nur zugänglicher machen, sondern auch weitaus lebendiger und konstruktiver mit ihnen umgehen kann. „Emotional Data Storytelling“ lautet das Konzept von Sven Ehmann und Nicolas Bouquín, die zusammen mit fünf anderen Fellows im Urban Ideation Lab ansässig sind, dem Labor für das Stadtquartier der Zukunft und Herzstück von B-Part Am Gleisdreieck. 

Üblicherweise bereiten IT-Experten oder Analysten Daten auf und stellen sie auf eine eher hermetische Art dar. Visualisierungen in Medien mit Diagrammen und Schaubildern sehen dagegen meist ansprechend aus, sind aber anfällig für Verzerrungen und Manipulationen. nexTT dagegen geht mit „Emotional Data Stroytelling“ ganz neue Wege.

Emotional Data Storytelling mag nach einer originellen Buzzword-Konstruktion klingen, birgt aber einen innovativen Ansatz, auf ungewohnte Weise mit Daten umzugehen. Aber was soll das eigentlich heißen, „emotional data“? Ein Beispiel: Ein Fußballspiel endet mit 1 zu 0. Das reine Spielergebnis liefert einen denkbar kleinen Datensatz, für die Fans der beiden Teams handelt es sich aber um ein hochemotionales Ereignis. Mit dem vollständigen Fahrplan der Deutschen Bahn liegt dagegen ein um Dimensionen größerer Datensatz vor, der aber kaum Gefühle auslöst oder Geschichten erzählt (Verspätungen ausgenommen).

Dann wiederum gibt es ausgesprochen relevante Daten, deren Bedeutung sich unserem Alltagsverstand aber nicht intuitiv erschließt, obwohl es uns zutiefst berühren müsste. Zum Beispiel die globale Klimakrise mit der kritischen Marke der Erwärmung unserer Erde um zwei Grad. Diese zwei Grad sagen uns aber nichts. Im Gegenteil verbucht unser Alltagsverstand eine so geringe Temperatursteigerung als kaum relevant. Damit uns diese zwei Grad eine anschauliche Geschichte erzählen, lässt sich eine einfache Metapher nutzen: Wenn ein Mensch 40 Grad Fieber hat, ist er sehr krank. Hat er 42 Grad Fieber, ist er tot. Genauso verhält es sich beim Fieber unserer Welt. Und auf diese Weise können uns Daten Geschichten erzählen anstatt uns als bloße Zahlen zu begegnen.

Was Sven Ehmann und Nicolas Bouquín also antreibt, sind gleich mehrere Ansätze, mit Daten ganz anders umzugehen als gewohnt. Einerseits braucht es mehr Aufklärung für einen kritischeren Umgang mit Daten, wie sie uns von Instanzen mit ganz eigenen Interessen aufbereitet werden. Im Prinzip müssen wir Daten und ihre Darstellung wortwörtlich „lesen“ lernen. Diagramme und andere Visualisierungen sehen oft ansprechend und überzeugend aus, sind aber mit großer Vorsicht zu genießen. Allein schon der Einsatz von Farben und visuellen Stilmitteln kann die Wahrnehmung in gewünschte Richtungen lenken. Meist fehlt auch der notwendige Kontext zum wirklichen Verständnis. Und leider steckt hinter Daten-Visualisierungen oft eine klare Methode: Man will eine bestimmte Aussage erzielen und biegt sich das statistische Material und die Form der Darstellung in das gewünschte Muster.

nexTT geht den umgekehrten Weg: Man kennt nicht schon die Antwort, sondern stellt neue Fragen und findet heraus, welche Daten Ergebnisse liefern können, mit denen vorher nicht zu rechnen war. Zum Beispiel befragt man – naheliegend als Fellow im Urban Ideation Lab  – den Park am Gleisdreieck. Hier entwickelt sich ein Eigenleben, von dem die meisten nur Ausschnitte oder immer die gleichen Sequenzen erleben, wenn sie zum Beispiel täglich zur Arbeit durch den Park pendeln. Aber welche Fluktuationen, Dynamiken und Muster bilden sich heraus? Welchen Sound hat der Park zu welchen Zeiten? Was ist sein Puls? So können Daten bisher unsichtbares sichtbar machen. nexxt plant dazu eine Arbeit im Rahmen ihrer Zeit als Fellow im Urban Ideation Lab.

Die beiden Gründer von nexTT verstehen sich zudem als intensiv vernetzter, informeller Think Tank, der weltweit mit Expertinnen und Analysten aus ganz verschiedenen Disziplinen kooperiert, in Innovationsprozesse eingebettet ist und auch ganz neue Möglichkeiten von Daten-Visualisierungen wie AR-Komponenten oder dynamische User-Interfaces nutzt.

Oberste Maxime bei allen Projekten liegt im idealistischen Anspruch und positiver gesellschaftlicher Wirkung. Damit ist Wirtschaftlichkeit nicht ausgeschlossen. Sven Ehmann und Nicolas Bouquín arbeiten durchaus auch für Start-ups und innovative Unternehmen, aber niemals mit dem Ziel, mehr Waschmittel zu verkaufen. Letztendlich wollen sie die Informations-Souveränität stärken und über den Umgang mit Daten aufklären. Damit eben nicht die alten, oft irreführenden Geschichten weitererzählt werden, sondern ein neuer, kritischer wie lebendigerer Umgang mit Daten entsteht. Insbesondere weil heute kaum noch jemand einen Schritt gehen kann, ohne dass dabei Datensätze erzeugt und analysiert werden, will nexTT dazu beitragen, dass wir uns die Souveränität zurückerobern und die Geschichten bergen, die in der Datenflut schwimmen.